Exklusiv-Interview

„So viel Freiraum kannst Du nur im Homeoffice erreichen“

Der Moderator und Schriftsteller Klaus Reichert ist über der Metzgerei seiner Eltern aufgewachsen. Im Interview mit Generation Homeoffice erzählt er, wie ihn die Nähe von Wohnen und Arbeiten geprägt hat und warum faul sein ihm bei der Arbeit im Homeoffice nützt.

Klaus Reichert ist Moderator beim Hessischen Rundfunk. Außerdem arbeitet er als Autor und produziert zwei Podcasts. In seinem neuesten Buch „Fleisch ist mir nicht Wurst“ erzählt der Sohn eines Metzgers auch seine Familiengeschichte. Lieblingsort und zugleich Arbeitsstätte ist sein altes Haus in der Nähe von Frankfurt.

GENERATION Homeoffice: Du moderierst beim Hessischen Rundfunk verschiedene Radio-Shows. Was hat sich bei der Produktion seit Corona verändert?

Klaus Reichert: Ich bin nach wie vor im Studio – dort war man ja auch schon vorher alleine. Die Büros wurden geleert, damit die Moderatoren vor Ort sein können. Jeder hat ein Hygieneset bekommen und einen Extraschutz für das Mikrofon. Es gab auch die Überlegung, Moderationen von zuhause aus zu machen. Die Reporter liefern inzwischen viel von daheim. Die Technik ist soweit, dass man sich alle O-Ton-Tools auf den Rechner laden kann. Auch die Zugänge zu den Nachrichtenagenturen. Die Beiträge kann man daher problemlos zuhause machen. Man hört es weniger als man vermuten würde. Wenn ich meine Show vorbereite, kann ich mich zwei oder drei Stunden im Sender an einen Schreibtisch setzen. Vieles bereite ich aber auch von zuhause aus vor.

Du hast mehrere Bücher geschrieben und produzierst zwei Podcasts – das meiste von zuhause. Du bist also schon immer ein Homeofficer gewesen?

Mein Vater war Metzger mit einem Familienbetrieb. Wir haben im ersten Stock über der Metzgerei gewohnt. Daher kenne ich die Situation zuhause zu arbeiten - damit bin ich aufgewachsen. Mein Vater musste morgens um vier Uhr aufstehen. Schon als Kind fand ich es hart, zu sehen, wie er um diese Uhrzeit zur Arbeit ging. Ich habe dann irgendwann beschlossen, das ist nichts für mich.

Später habe ich eine Ausbildung bei der Hoechst AG gemacht und tatsächlich zwei Jahre lang in einem Büro gearbeitet. Das war für mich echt fremd. Ich musste einen Anzug tragen und hatte immer das Gefühl, ich verkleide mich, wenn ich ins Büro gehe. Auch zu den Leuten hatte ich ein distanziertes Verhältnis. In einem Familienbetrieb ist es ein anderes Miteinander. Ich habe später studiert und bin relativ schnell Freiberufler geworden – und habe im Grund immer alles zuhause vorbereitet.

Wie sieht Dein Tagesablauf aus? Gehst Du nach dem Frühstück an den Schreibtisch oder wartet man darauf, dass die Muse einen küsst?

Ich plane sehr genau, was ich mache. Das sollte man im Homeoffice auch tun. Man sollte nicht in den Tag hineinleben, sondern sich ein Pensum vornehmen und probieren, das konzentriert abzuarbeiten.

Kommst Du nicht mal in Versuchung, während der Arbeit Wäsche zu waschen?

Nein, ich bin sehr diszipliniert. Ich habe einen Tageskalender und schreibe mir tatsächlich stundenweise auf, was ich machen muss. Ich mag keinen Stress, also mache ich alles rechtzeitig. Jeden Morgen mache ich einen Tagesplan. Bei Buchprojekten brauche ich immer ein bisschen Anlauf. Ich rechne zurück vom Abgabetermin wie lange ich für die Recherche brauche und für das Schreiben. Wobei das Schreiben bei mir immer recht schnell geht. Und dann plane ich es so, dass ich eine Woche vorher fertig bin.

Was gefällt Dir besonders an der Arbeit im Homeoffice?

Für mich ist es ein besseres Gefühl für mich zu sein. Ich kann auch viel konzentrierter arbeiten, weil niemand immer den Kopf zur Türe reinsteckt und einfach schwätzen will. Was andere natürlich sehr schätzen, und das kann ich auch verstehen. Aber für mich ist es eher Ablenkung. Der Grund, dass ich so gut strukturiert bin ist, dass ich faul bin. Ich arbeite maximal sechs bis sieben Stunden am Tag. Eine gute Organisation verschafft Freiraum. Das kannst du nur im Homeoffice erreichen. Jetzt merken die Menschen, wieviel Zeit sie in nutzlosen Meetings verbringen.

Hinzu kommt die Zeitersparnis, weil man keine Anfahrtswege hat. Das ist zusätzlich gewonnene Lebenszeit oder, wenn ich sie denn in Arbeit stecken muss, zusätzliche Arbeitszeit.

Wo hast Du Dein Homeoffice – am Küchentisch oder separat und mit richtiger Büroeinrichtung?

Ich sitze unterm Dach bei uns im Haus. Es hat sogar eine ganz gute Akustik – das ist fast Studioqualität.

Wie funktionieren Absprachen mit Kollegen?

Ich bin ein großer Freund von Absprachen per Mail. Schriftliche Abstimmung hat den Vorteil, dass man konkreter werden muss. Gerade bei der Arbeit mit Lektoren ist das gut. Dann kommen neben allgemeinen Anmerkungen auch gleich Verbesserungsvorschläge.

Was tust du bei einer Schreibblockade beziehungsweise Motivationsproblemen?

Für mich hat es sich bewährt, mehrere Texte oder Bücher parallel zu schreiben. Mein letztes Buch („Fleisch ist mir nicht Wurst“) besteht aus drei Teilen – zuerst mal die Familiengeschichte. Mein Bruder ist wie mein Vater Metzger. Im nächsten Teil stehe ich mit ihm vor einem Schwein und er sagt mir, ich soll es töten. Sozusagen als Handlungsauftrag an einen Medienmenschen, selbst für sein Essen zu sorgen. Der dritte Teil ist ein Sachbuch. Da geht es um unsere Esskultur und das, was wir essen. Die drei unterschiedlichen Teile sind eigentlich wie drei unterschiedliche Bücher. Wenn ich mit einem Teil nicht weitergekommen bin, habe ich an einem anderen recherchiert. Aktuell arbeite ich an einer Jugendbuchreihe und an einem feministischen Schauerroman. Ich glaube, es ist ganz gut, sich nicht immer nur auf eine Aufgabe zu fixieren, sondern eigentlich immer zwei, drei gleichberechtigte Arbeiten nebeneinander zu machen. Das hilft mir auch bei meiner Arbeit im Radio.

Du produzierst zusammen mit Deinem Bruder einen Podcast - „Die Welt von hinter der Fleischtheke“. Außerdem bietet er in der Metzgerei Workshops beispielsweise zum Thema Steak an. Finden die jetzt auch online statt?

Darüber haben wir nachgedacht. „Die Welt von hinter der Fleischtheke“ ist auch aus der Idee entstanden den Leuten etwas Mediales anzubieten, weil Metzger ein sehr analoges Business ist. Mein Bruder lässt die Leute bei seinen Veranstaltungen ganz nah ran an dieses Handwerk. Und das ist unglaublich begehrt. Aber eine Kochshow ohne das sinnliche Erlebnis des Essens ist schwierig.

 Was empfiehlst Du Homeofficern zum Mittagessen? Schweinshaxe?

Ich muss gestehen, Essen ist die größte Herausforderung im Homeoffice, denn ich koche nicht gern. Wenn es besser schmecken soll, fahre ich lieber schnell in der Metzgerei vorbei. Den einzig wirksamen Ernährungstipp habe ich von meinem Bruder und den beherzige ich selbst: Iss, wenn du Hunger hast und hör auf, wenn du satt bist. Ich höre auch dann auf, wenn der Teller noch halbvoll ist. Das hat sich für mich bewährt - ich hatte noch nie Gewichtsprobleme. Grundsätzlich gilt aber, wenn ich das Gefühl habe, mittags eine Schweinshaxe essen zu müssen, dann sollte ich das tun.

Dein Buch beschreibt eine Form des Arbeitens, die zwar zuhause stattfindet, aber ganz anders funktioniert als das Homeoffice. Warum war dir das so wichtig?

Diese Lebens- und Arbeitsform des Familienbetriebs verschwindet teilweise. Für mich war es auch keine attraktive Perspektive, einen Betrieb zu erben, in dem ich zwölf Stunden am Tag stehen muss. So geht es vielen, die in solchen Betrieben aufwachsen. Das Buch ist sozusagen eine Verbeugung vor den Leuten, die zu festen Öffnungszeiten arbeiten und sich nicht den Luxus gönnen können, sich ihre Zeit selber einzuteilen.

 

ReichertK Fleisch ist mir nicht kleinKlaus Reichert ist Moderator beim Hessischen Rundfunk. Außerdem arbeitet er als Autor und produziert zwei Podcasts.

In seinem neuesten Buch „Fleisch ist mir nicht Wurst“ erzählt der Sohn eines Metzgers auch seine Familiengeschichte. Lieblingsort und zugleich Arbeitsstätte ist sein altes Haus in der Nähe von Frankfurt.

 

 

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