Kathrin S. und Eva F. sind Lehrerinnen an Schulen in Nordrhein-Westfalen. Eva lehrt an einer Sekundarschule, Kathrin an einer Hauptschule. Die beiden Pädagoginnen sprachen mit GENERATION Homeoffice über ihre Erfahrungen im Homeoffice und die teils desaströsen Zustände in Sachen Online-Unterricht.
GENERATION Homeoffice: Wie ist bzw. war es für Euch als Lehrerinnen während der Corona-Krise im Homeoffice arbeiten zu „müssen“?
Kathrin: Auch während der normalen Zustände müssen wir als Lehrer in den heimischen vier Wänden arbeiten. Also Unterricht vorbereiten oder Klassenarbeiten korrigieren. Aber das war jetzt natürlich eine extreme Umstellung. Natürlich bringt Homeoffice einige Vorteile mit sich. Allerdings gerade für uns Lehrer auch ziemliche Nachteile.
Eva: Genau. Vor allem der direkte Kontakt zu den Schülern fehlt da extrem. Und egal wie viel man sich in Sachen Online-Unterricht einfallen lässt: Der unmittelbare Unterricht im Klassenraum ist kaum zu ersetzen. Nicht nur, weil hierzulande vielerorts die Voraussetzungen dafür ohnehin einfach nicht stimmen - sei es in den Schulen oder bei den Schülern daheim.
Was habt Ihr für einen Eindruck, wie das deutsche Bildungssystem/die deutschen Schulen auf die Corona-Situation in Bezug auf Online-Unterricht/E-Learning vorbereitet war?
Kathrin: Der Status der Vorbereitung und der Organisation lag bei ziemlich genau 0,0. Niemand wusste, was zu tun ist. Gerade an den ersten Tagen. Gerade unsere Schulen sind da sehr rückständig. Das sieht man unter anderem auch daran, dass unsere Klassen immer noch wie vor zig Jahren ausgestattet sind: Tafel und Overhead-Projektor. Wenn ich also in der Klasse einmal eine Folie an der Wand sichtbar machen möchte, geht das auch heutzutage nur auf diese überholte Art und Weise. Immerhin gibt es auf jedem Gang einen Wagen mit einem Beamer. Dieser ist allerdings nicht mit dem Internet verbunden. Denn Internet haben wir ausschließlich im Computerraum. So müssen wir beispielsweise über den eigenen Smartphone-Hotspot gehen, wenn wir mit dem eigenen Laptop ins Internet möchten, um den Schülern etwas zu zeigen. Immerhin wurde zuletzt vor kurzem in jeden Klassenraum endlich ein Wlan-Router eingebaut. Aber es hat sehr lange gedauert und in Betrieb genommen wurden sie noch nicht.
Eva: Den Online-Unterricht haben wir in Eigeninitiative und aus Eigenmotivation von zu Hause aus organisiert. Ein Konzept dazu gab es „von oben“ nicht. Nicht von der Schule, nicht von der Regierung. Da es keinerlei Vorgaben oder Handlungsempfehlungen gab, haben wir dazu „Zoom“ genutzt, was aus dem privaten Gebrauch zumindest ein wenig bekannt ist. Die Nachricht, dass „Zoom“ aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht genutzt werden soll, haben wir dann erst einige Zeit später bekommen. Dann mussten wir alles, was sich bis dato halbwegs eingespielt hatte, wieder komplett umstrukturieren - sehr nervig und aufwendig. Nicht nur für uns Lehrer, sondern auch für die Schüler und Eltern. Statt Zoom sollten wir - ausschließlich mit Einverständnis der Eltern - die Plattform jitsi.org nutzen. Dass es ein harter und langer Kampf sein kann, bis man an die Einverständniserklärung gekommen ist, muss ich an dieser Stelle nicht erklären. Weiterhin erschweren auch andere Umstände hierzulande den Online-Unterricht. So haben zum Beispiel viele Eltern keinen Drucker oder sind nicht per Mail zu erreichen.
Glaubt Ihr, die aktuelle Situation konnte den Auf- und Ausbau von Online-Unterricht/E-Learning beschleunigen?
Kathrin: Der Auf- und Ausbau findet nun zumindest endlich statt - das ist immerhin erfreulich. Vielleicht war die Corona-Krise vor diesem Hintergrund für unsere Schulen ja sogar vorteilhaft. Zudem haben wir - trotz der erschwerten Voraussetzungen - ein sehr engagiertes Kollegium. Wir tauschen uns viel aus und helfen auch den Lehrerkollegen, die keinen oder nur wenig Bezug zum Thema „Online“ haben.
Eva: Insgesamt ist es gut zu sehen, dass langsam Konzepte zum Thema E-Learning an den Start gebracht werden, damit wir endlich auch in dieser Hinsicht in Deutschland mal im 21. Jahrhundert ankommen.
Wie schätzt Ihr die derzeitige Entwicklung in Deutschland in Sachen Online-Unterricht ein? Andere europäische Länder scheinen ja schon wesentlich weiter zu sein.
Kathrin: Der Umstand, wie unterschiedlich die Schulen in Deutschland in diesem Bereich ausgestattet und entwickelt sind, hat mich schon ziemlich erschüttert. Während wir - wie erwähnt - in dieser Hinsicht sehr rückständig sind, gibt es hierzulande auch einige Schulen, die schon lange mit Whiteboards arbeiten oder die Schüler Tablets benutzen können. Aber das sind bei weitem nicht alle. Derlei krasse unterschiedliche Voraussetzungen sollte es innerhalb eines Landes, einer führenden Industrienation nicht geben.
Eva: Passend dazu habe ich mich gefragt, wieso ohnehin schon sehr gut ausgestattete Schulen weiter so große Unterstützung bekommen, wenn es in der Nachbarschule nicht einmal einen Internetzugang für alle Schüler und Lehrer gibt.
Wie lautet Euer Fazit nach den Wochen des Online-Unterrichts im Homeoffice?
Kathrin: Man kann wohl festhalten, dass die Corona-Krise eine Art Tritt in den Allerwertesten in Sachen Online-Unterricht in Deutschland gewesen ist. Ich bin gespannt, wie es in dieser Hinsicht weitergeht. Andere Länder sind uns da um einiges voraus.
Eva: Es gibt so viele tolle, sinnvolle Möglichkeiten, Schüler auch in dieser Hinsicht noch mehr zu fördern. Und durch die Umstellung waren nun alle dazu gezwungen, sich auch endlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich hoffe darauf, dass die richtigen Schlüsse aus der Situation gezogen werden.
Vielen Dank für das Interview