Als Mitglied des Bundestages verantwortet der FDP-Politiker Johannes Vogel die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Fraktion der Freien Demokraten. Wir sprachen zum Thema "Homeoffice" und die Lage der Solo-Selbständigen mit ihm.
GENERATION Homeoffice: Hallo Herr Vogel, wo befinden Sie sich gerade, im Büro, unterwegs oder im Homeoffice?
Johannes Vogel: Hallo! Jetzt gerade befinde ich mich zu Hause im Homeoffice, habe aber soeben noch im Zug mein Mailfach aufgeräumt.
Ist es für Sie überhaupt möglich, regelmäßig im Homeoffice zu arbeiten?
Regelmäßig geht das schon, aber als gewählter Abgeordneter kann ich natürlich nicht immer von zu Hause aus arbeiten, das ist klar. Dafür sind meine Tage und Aufgaben einfach zu unterschiedlich. Man besucht viele Einrichtungen, Unternehmen, Institutionen und Menschen vor Ort und die eigentliche Arbeit im Bundestag findet natürlich auch zu großen Teilen physisch dort statt, insbesondere im Plenum. Aber den Ort meiner „Desktime“ kann ich meist selbst bestimmen. Wo ich also an Projekten arbeite, Mails schreibe oder Anträge lese, ist ziemlich flexibel. Mal ist es zwischen Terminen im Büro, oft zu Hause und in einer Zeit vor Corona auch sehr oft unterwegs, zum Beispiel im Zug.
Arbeitsminister Heil möchte eine gesetzliche Regelung zum Thema Homeoffice. Wie steht die FDP dazu?
Generell wäre es sehr wünschenswert, wenn endlich überhaupt mal Bewegung in die Sache käme. Beim zeit- und ortsflexiblen Arbeiten kommt von der Bundesregierung nämlich bisher gar nichts. Klar ist: Nicht jeder kann und soll immer im Homeoffice arbeiten. Aber diese Wochen zeigen uns auch, dass es sich an vielen Stellen und in vielen Berufen sehr gut umsetzen lässt, von zu Hause oder unterwegs zu arbeiten. Das bietet uns auch zu Zeiten ohne Kontaktverbot viele Chancen: Weniger Verkehr, eine flexiblere Einteilung, wo man arbeitet und dadurch auch mehr Selbstbestimmung für den Einzelnen.
Was wir in meinen Augen konkret brauchen ist ein moderner Rechtsrahmen für Homeoffice und mobiles Arbeiten nach niederländischem Vorbild! Die Lösung wäre denkbar einfach: Ein klarer Rechtsanspruch auf Erörterung mobiler Arbeit. Wir wollen, dass nicht das mobile Arbeiten mit betrieblichen Belangen begründungsnotwendig ist, sondern seine Ablehnung. Verbunden werden müsste dies natürlich mit dem Wegfall der Arbeitsstättenverordnung für diesen Fall, denn wenn Mitarbeiter mobil arbeiten, kann man den Arbeitgeber nicht für den richtigen Lichteinfall verantwortlich machen. Das können mündige Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden.
Dazu gehört dann aber auch zwingend die Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes. Die Digitalisierung bietet für immer mehr Menschen Chancen, selbst zu bestimmen, wann und von wo man arbeitet. Aber das Arbeitszeitgesetz stammt aus einer Zeit, in der E-Mails noch lange nicht zum Alltag gehörten. Wer heute um 22, 23 Uhr noch eine dienstliche E-Mail auch nur lesen möchte, der darf am nächsten Tag die Arbeit nicht vor 10 Uhr wieder aufnehmen. Das ist realitätsfremd, daran hält sich kaum mehr jemand. Daher sollten wir uns an der EU-Arbeitszeit-Richtlinie orientieren. Die schreibt dieselbe wöchentliche Arbeitszeit und Pausenzeiten vor wie das deutsche Recht, denn niemand soll in Summe mehr arbeiten oder weniger Pausen machen – aber sie erlaubt eine etwas freiere Einteilung unter der Woche.
„Die Bundesregierung versteht die Lebenswelt der Selbständigen nicht“ ist ein Zitat von Ihnen aus dem „Business Insider“. Wie sehen Sie im Moment die Situation der Solo-Selbstständigen?
Gerade werden Selbstständige ohne Angestellte bei den Corona-Hilfen von der Bundesregierung massiv im Stich gelassen. Unterstützung gibt es nur bei Betriebskosten und genau diese habe die meisten überhaupt nicht. Das hat leider System, weil die Bundesregierung von allen Seiten auf dieses Problem hingewiesen worden ist. Sie will es aber nicht ändern und sagt den Selbstständigen, Sie könnten ansonsten ja Hartz IV beantragen – was dieselbe Bundesregierung bei den Angestellten in der Krise unbedingt verhindern will und dafür extra Gesetze verändert. Diese Ungleichbehandlung ist fatal und zeigt, wie wenig diese Große Koalition moderne Selbstständigkeit versteht. Viele moderne Selbstständige haben kein Studio oder Ladenlokal, sie arbeiten von zu Hause aus, entwerfen neue Musik oder entwickeln eine App. Und alle Landesregierung haben CDU, CSU und SPD im Bund aufgefordert, hier endlich aktiv zu werden – aber sie tun es einfach nicht!
Ist es nicht vielleicht wichtiger, einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet für die Arbeitnehmer im Homeoffice zu fordern? Ist das nicht das größere Problem?
Die Vorhaben stehen ja nicht in Konkurrenz zueinander, ganz im Gegenteil. Natürlich brauchen wir parallel eine wesentlich bessere digitale Infrastruktur in Deutschland. Wo Home ist, muss auch Office gehen. Mein Wahlkreis ist im Sauerland, ich kenne die Probleme im ländlichen Raum, das können Sie mir glauben. Daher ist es gut, dass wenigstens die NRW-Koalition unter Beteiligung der FDP hier vor Ort jetzt endlich investiert.
Glauben Sie, dass sich der Arbeitsmarkt durch die Corona-Krise elementar verändern wird? Findet ein „kleiner Aufbruch“ in ein neues digitales Zeitalter statt?
Ich hoffe es! Zumindest wäre jetzt die Möglichkeit, unnötig vorherrschende Denkschablonen endlich über Bord zu werfen und den Arbeitsmarkt mit den vorgestellten Ideen neu zu gestalten. Diese Chance sollten wir nutzen!
Vielen Dank und bleiben Sie gesund.