Im Interview mit GENERATION Homeoffice spricht Leo über die Veränderung der Arbeitswelt durch die Pandemie und welche Folgen die digitale Rückständigkeit für Deutschland im weltweiten Vergleich haben kann. Mario Leo ist weltweit einer der führenden Spezialisten zum Thema digitale Kommunikation und digitale Transformation im Sport.
GENERATION Homeoffice: Herr Leo, normalerweise sind Sie in der ganzen Welt unterwegs. Aufgrund der Corona-Pandemie sind auch Sie zum Arbeiten im Homeoffice gezwungen. Wie haben Sie sich damit arrangiert?
Mario Leo: Für mich war es eine wirklich große Umstellung, das muss ich schon sagen. Es ist aber nun mal eine Pandemie und wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung, besonders die Personen in den Führungspositionen. Bereits Anfang März 2020 haben wir bevor ganz Deutschland in den Lockdown gegangen ist, schon Homeoffice als Firmenentscheidung bekannt gegeben und waren dementsprechend auch gut eingestellt.
Persönlich mag ich das Arbeiten im Homeoffice und musste mich auch nicht an viele Dinge anpassen. Was es bezüglich des Themas wirklich zu berücksichtigen gilt ist, dass man eben nicht jede Leerlaufzeit mit Videokonferenzen füllt, sondern vormittags und nachmittags eine feste Pause einbaut, in der frische Luft getankt wird und die Gedanken gesammelt werden. Dadurch kann das Risiko deutlich gemindert werden, dass der Tag komplett durchgetaktet ist und man abends zu erschöpft ins Bett fällt.
Wenn das uneingeschränkte Reisen wieder möglich ist, werden Sie dann vollends in Ihren Arbeitsalltag zurückkehren oder wird das Thema Homeoffice weiterhin eine Rolle spielen?
Ich werde sicherlich ein bisschen mehr unterwegs sein, aber nicht mehr auf das Niveau kommen, wie vor der Pandemie. Mit vielen Kunden und Partnern haben wir das Vertragswesen entsprechend angepasst und festgestellt, dass mit den Möglichkeiten der digitalen Medien die Zusammenarbeit auch aus dem Homeoffice sehr gut funktioniert. Dabei spielen für uns auch die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz eine immer wichtigere Rolle in Bezug zu der Digitalisierung und dementsprechend glaube ich, dass Corona die starke Veränderung in der Arbeitskultur und der Zusammenarbeit von Unternehmen beschleunigt hat. Vieles, was im Zuge des Lockdowns eingeführt wurde, wird mit Sicherheit auch in Zukunft bestand haben und stattfinden.
Durch die Corona-Pandemie muss sich Deutschland mehr als jemals zuvor mit der Digitalisierung befassen. Wie sehr hat Ihr Herz als Digitalexperte geblutet, als Sie mitansehen mussten wie rückständig Deutschland in diesem Bereich im Vergleich zu anderen Ländern ist?
Die Digitalisierung in Deutschland ist ein schwieriges Thema. Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit und dem damit verbundenen Dialog in die ganze Welt, kann ich den Status schon ganz gut einschätzen. Dementsprechend war es für mich keine Überraschung, wie und wo wir stehen, denn Deutschland ist im weltweiten Vergleich leider unfassbar rückständig. Wenn mein neun-jähriger Sohn mich fragt, was er in 20-30 Jahren mal arbeiten wird, kann ich ihm diese Frage nicht beantworten, weil ich Deutschland in der Weltgemeinschaft 2035/2040 im Moment keine Rolle zuordnen kann. Deutschland lässt im Ausland bauen und gibt somit sein Wissen und Know-how an ausländische Fachkräfte ab, die wir selbst ausbilden, wodurch andere Länder und Kulturen zum deutschen Standard aufholen. Aktuell sehe ich nur bedingt eine Rolle Deutschlands in der Weltgemeinschaft und das bereitet mir große Sorgen.
Glauben Sie, dass wir den Rückstand irgendwann aufholen werden?
Ja, vielleicht. Wir müssen in einer digital globalisierten Welt unsere Rolle finden. Ich glaube, dass unsere Rolle sein kann, Projektmanager für andere Länder, für andere Kulturen, für andere Gesellschaften zu sein, die ihren nächsten Schritt in der Erhöhung ihres Lebensstandards erreichen wollen. Die deutsche Bildung, auch wenn sie sehr undigital ist, bietet mit ihrem Bildungsansatz eine gleichberechtigte Chance für alle Teilnehmer und kann weltweit exportiert werden.
Unsere prägenden Merkmale wie Qualität, Pünktlichkeit, Fürsorglichkeit und Langlebigkeit bedeuten einen großen Mehrwert und werden in vielen Kulturen eben nicht berücksichtigt. Globale Projektmanager können unsere Bildung, unsere Standards, den Anspruch „Made in Germany“ an andere Gesellschaften exportieren. Das könnte die Rolle für Deutschland sein, denn das Land der Produktion werden wir sicher nicht.
Aber stehen wir uns mit der ganzen Bürokratie nicht selbst im Weg?
Bürokratie ist ein immer sehr schwieriger Begriff, besonders im Zuge der Digitalisierung. Ich glaube, die Vision, die von der digitalen Staatssekretärin Dorothee Bär vorgegeben wird, dass in Deutschland in Zukunft Flugtaxis fliegen und produziert werden, ist sehr illusorisch. Denn der administrative Weg in Deutschland ist eine große Hürde und anstrengend. Vorher würden eher Flugtaxis aus anderen europäischen Ländern den Himmel erobern. Eine Entbürokratisierung ist schon längst notwendig, kann mit einer Digitalisierung erreicht werden, ist aber eher ein Generationen-Projekt.
Ähnlich wie mit der Bürokratie hindern uns oftmals auch die hohen Hürden beim Datenschutz davor, innovativ und schnell zu ein.
In Deutschland haben wir in Bezug zum Thema Datenschutz immer die Herangehensweise, das schlimmstmögliche Potenzial zu berücksichtigen und nicht die bestmögliche Auslegung der Datenschutzgrundverordnung zu prognostizieren. Wenn man allerdings immer das Worst-Case-Szenario berücksichtigt, ist man immer langsamer und schwerfälliger in der Umsetzung.
Die Veränderung der Arbeitswelt wird sich durch die Digitalisierung sicher stark verändern. Was wird uns erwarten und wird Deutschland überhaupt konkurrenzfähig sein?
Bezüglich des Erhalts des Lebensstandards und der Infrastruktur mache ich mir schon große Sorgen um Deutschland. Nahezu alle Plattformen und Softwares, die wir benutzen, haben keinen deutschen Ursprung. Dementsprechend wird die Digitalisierung zum größten Teil auf nicht deutschen Programmen und Applikationen bestehen. Für mich war es von elementarer Bedeutung, 2015/2016 eine Internationalisierung zu verfolgen. Ich wollte in Märkte gehen, die offen sind für Digitales und sich schnell anpassen können.
Genau deshalb haben wir große Standorte in der Türkei und in Südafrika. Zwar ist der deutsche Markt unser Heimatmarkt, auf dem wir auch stark vertreten sind und auch bleiben wollen, aber die wirklichen Innovationskräfte kommen aus den anderen Märkten der Welt. Diese adaptieren wir dann auf den Status Quo in Deutschland und können dadurch kleine Entwicklungsschritte vorantreiben.
Was bedeutet die Digitalisierung konkret für das Arbeiten im Homeoffice?
Die Digitalisierung wird das Ganze natürlich weiterhin vorantreiben. Es wurde erkannt, dass das Homeoffice für die Abarbeitung von Aufgaben und Projekten nicht schädlich ist. Dementsprechend würde ich als Stadtplaner schon jetzt leerstehendes Gewerbe in Wohnraum umwandeln, den Gewerbeleerstand somit auf null fahren, würde mehr Wohnraum kreieren und dadurch den Mietdruck in Großstädten zu nehmen.
Werden in Zukunft mehr Menschen im Homeoffice arbeiten, als draußen im Büro?
In vielen Bereichen kann ich das jetzt schon erkennen. Ich glaube, in Arbeitsbereichen wie Callcentern etc. ist es schon gängig, aber auch in vielen anderen gewerblichen Bereichen wird das dies die Zukunft sein. Damit wird auch das verbundene Dienstleistungsangebot günstiger, weil man sich teure Mieten in Großstädten nicht mehr leisten muss. Entsprechend kann die Produktvielfalt für den Endverbraucher günstiger werden und kann damit den Lebensstandard verändern.
Mario Leo ist weltweit einer der führenden Spezialisten zum Thema digitale Kommunikation und digitale Transformation im Sport und Buchautor („Kaufen Sie Ronaldo“). Mit seiner Firma RESULT Sports berät der 49-Jährige über 100 Ligen, Verbände und Klubs sowie viele Spitzensportler und Unternehmen rund um den Globus. Mit der Initiative „Digital Sports Africa“ treibt er die Digitalisierung eines ganzen Kontinents maßgeblich voran. Der Digital-Stratege gibt sein Wissen als Dozent an nationalen und internationalen Universitäten weiter.