"Lockdown ist absoluter Bullshit"

Interview mit Iftach Jephthah Ophir

Sascha Engel für GENERATION Homeoffice im Gespräch mit Iftach Jephthah Ophir, Schauspieler, Regisseur, Autor & Synchronsprecher.

GENERATION Homeoffice: Inwieweit haben die momentanen Lockdown-Bestimmungen Einfluss auf Deinen Alltag? Kannst Du im Homeoffice arbeiten?

Iftach Jephthah Ophir: Meine beruflichen Projekte im Theater sind blockiert, vor allem die Produktionen in der freien Theaterszene, in die ich momentan involviert war. Bereits der erste Lockdown riss mich aus einer Off-Broadway-Show in New York City - die Produktion wurde komplett gestoppt. Während des ersten Lockdowns schrieb ich dann einen Film, der bereits Fördergelder erhielt und grünes Licht zur Produktion hatte, nun aber abgesagt wurde, da alle Fördermittel in 2020 eingefroren wurden.

Das einzige was mich im Moment vom Leben auf der Straße rettet, ist meine Arbeit als Synchronsprecher, da ich diese Aufnahmen im heimischen Studio machen kann, also sozusagen im Homeoffice. Einige Studios operieren auch im Lockdown, da man ja alleine im Tonstudio sitzt.
Ich wache auf, wann immer ich will. Das ist das Schlimmste, wenn man keinen strukturierten Tagesablauf hat. Du musst dir selber eine neue Struktur erschaffen, eine Blaupause, der du folgen kannst. Der Standard ist das, was du dir selber vorgibst, du musst vieles komplett neu erlernen. Alles ist so flüchtig: An einem Tag Ja, am anderen Nein. Heute hat man was zu tun, morgen ist es abgesagt. Die Zufälligkeit von allem zerrt am Nervenkostüm. Zeit hat plötzlich keinerlei Bedeutung mehr: Es gibt keine Arbeit und alle Grenzen und Zeitpläne müssen selbst definiert werden.

Wie sieht ein normaler Tagesablauf bei Dir während des Lockdowns aus in Bezug auf Familie, Alltag und Beruf?

Nach dem Aufstehen füttere ich den Hund und gehe mit ihm spazieren. Und dann erfinde ich jeden Tag etwas, was ich tun kann, um mir selber die Illusion zu geben, dass ich Arbeit habe. Ich probiere ständig neue Ideen und Projekte zu entwickeln, damit, wenn das Leben wieder zum normalen Modus Operandi wechselt, ich gewappnet bin und Pläne habe. Gleichzeitig probiere ich konkret Arbeit zu finden, was auch immer sich anbietet, während ich gleichzeitig an meinen eigenen Projekten schreibe.

Familienleben gibt es kaum. Mein Bruder lebt glücklicherweise nur drei Häuserblocks weiter. Auch eine Freundin und ihre Mutter wohnen in der Gegend. Ansonsten nichts. Der Lockdown ist ein Riesenmist. Obwohl ich Freunde sehen kann, die weniger als einen Kilometer entfernt leben, ist diese Situation absolut deprimierend. Es ist ein Gefühl von Verlust und Hoffnungslosigkeit. Das ist was sie (die Regierung) von uns will: Hoffnungslosigkeit. Ich probiere, jeden Abend einen Freund einzuladen, um an etwas gemeinsam zu arbeiten, sich zusammen etwas anzusehen oder einfach nur zusammen einen zu trinken.

Denkst Du, dass der erneute Lockdown in seiner jetzigen Form ein wirksames Mittel zur Virusbekämpfung ist?

Der jetzige Lockdown ist absoluter Bullshit. Man kann ihn hunderttausend Jahre fortsetzen, aber solange man keinerlei Strategie oder Plan hat, wie man da wieder rauskommt und was man danach macht, ist er völlig sinnlos. Der wichtigste Punkt ist aber ein noch ganz anderer: Solange man nicht alle Schichten und Gruppierungen gleichbehandelt, hat das Ganze überhaupt keinen Wert. Man nehme nur die ultraorthodoxen Glaubensgemeinschaften, wie in Bnei Brak (Stadtteil der Ultraorthodoxen in Tel Aviv) oder Mea She’arim (ein religiöser Stadtteil Jerusalems, der sich völlig abkapselt), die sich an keinerlei Bestimmungen halten. Wenn man die Regelungen nicht gleichzeitig in der säkularen und religiösen Gesellschaft durchsetzt, hat man de facto absolut nichts erreicht.

Da die religiösen Parteien das Zünglein an der Waage sind, die Premierminister Netanyahu an der Macht halten, haben sie Narrenfreiheit. Die Israelis werden einen unglaublich hohen Preis zahlen, vor allem wirtschaftlich, für diesen Lockdown, der in Bezug auf die Virusbekämpfung ansonsten völlig sinnlos ist.

Wie denkst Du, geht es nach diesem zweiten Lockdown weiter? Was sind Deine persönlichen Aussichten für die Zeit danach?

Ich hoffe, ich habe genug Umpf und Kraft, die Serie und den Film, an denen ich im Moment arbeite, bis zum Ende des Lockdowns abzuschließen. Ich habe aber so meine Zweifel, da die Depression von allen Seiten an mir frisst. Ich denke, es ist an der Zeit für eine Veränderung zu kämpfen. Jeder Künstler, der in diesem Moment nicht an etwas arbeitet, was mit dieser Situation zu tun hat, macht nicht seinen Job. Ich hätte so viel zu sagen, was alle Theaterintendanten und Berühmtheiten betrifft: Keiner hat den Mut zu sagen, dass der Fisch vom Kopf her stinkt und aus Protest deshalb seinen Hut nimmt. Dieser Lockdown ist absolut bedeutungslos und wird nichts bewirken.

Nenne einen Song, der diesen Lockdown adäquat umschreibt?

Radiohead - “Karma Police”

Vielen Dank für das Interview

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