Irland ist das erste Land in der EU, das erneut in den Corona-Lockdown gegangen ist. Seit 22. Oktober dürfen die Menschen sich nur noch im Umkreis von fünf Kilometern von ihrem Haus bewegen. Für Sabine, die aus Bammental bei Heidelberg kommt und seit mehr als 13 Jahren in Irland wohnt, macht der erneute Lockdown aber eigentlich gar nicht so einen großen Unterschied – sie lebt seit Anfang der Corona-Pandemie im Ausnahmezustand. GENERATION Homeoffice hat mit ihr im Homeoffice in Cork gesprochen.
GENERATION Homeoffice: Seit letzten Donnerstag ist Irland wieder im Lockdown. Wie sieht das konkret aus?
Sabine: Es gelten, wie schon vorher, eine Zwei-Meter-Abstandsregel und Maskenpflicht in Läden. Seit dem neuen Lockdown dürfen wir uns nur bis zu fünf Kilometer von der eigenen Wohnung entfernen. Zum Einkaufen allerdings auch weiter. Alle Geschäfte, die Nahrungsmittel verkaufen, sind offen. Klamottenläden haben zu. Bei anderen Kaufhäusern, wie beispielsweise Ikea, kann man online bestellen. Beim ersten Lockdown ging das allerdings nur, wenn bei der Auslieferung die Zwei-Meter-Regelung auch funktionierte. Sprich, wenn es von einer Person ausgeliefert werden kann. Denn im Van kann man die zwei Meter Abstand ja schlecht einhalten. Das scheint aktuell aber nicht so zu sein.
Der jetzige Lockdown in Irland ist insgesamt etwas lockerer - beim letzten Mal durfte man sich nur zwei Kilometer vom Haus entfernen. Das wurde dann später erweitert. Außerdem können Singles jetzt eine sogenannte Bubble-Person haben, mit der sie sich treffen dürfen. Ansonsten sind Besuche in anderen Haushalten komplett verboten. Auch Angehörige darf man nur besuchen, wenn sie bedürftig sind.
Schulen, Kitas und auch Spielplätze sind noch offen. Zu Beerdigungen und Hochzeiten sind maximal 25 Teilnehmer erlaubt. Museen und Sportstudios haben zu. Profisport sowie Pferde- oder Hunderennen dürfen aber stattfinden. Der Lockdown gilt erst mal für sechs Wochen. In der Stadt habe ich bisher aber kaum etwas von Kontrollen gemerkt. Auf dem Weg nach Hause bin ich dagegen schon ein paarmal kontrolliert worden, weil die Gegend beliebt für Ausflüge ist.
Wie ist das für Dich?
In der jetzigen Phase hat sich für mich persönlich nicht viel verändert. Ich gehöre zur Hochrisikogruppe, weil ich Vorerkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck habe. Deswegen habe ich meine Kontakte schon von Beginn an sehr reduziert.
Beim ersten Lockdown hier in Irland war es für mich viel schlimmer. Das lag auch daran, dass ich im März erstmal mit einer Erkältung zuhause war. Ich fühlte mich ziemlich elend. Ich habe ziemlich viel im Internet gelesen – in Mediatheken und den sozialen Medien. Irgendwann habe ich dann aber radikal meine Internet- und Social-Media-Nutzung eingeschränkt. Dann ging es mir wieder besser. Ich glaube, das „Social-Media-Distancing“ hat mir sehr geholfen, in dieser verrückten Zeit nicht komplett den Kopf zu verlieren.
Als die Cafés noch offen waren habe ich noch einmal in der Woche Freunde getroffen. Das mache ich jetzt halt nicht mehr. Wie alle meine Kollegen arbeite ich im Homeoffice. Schön ist, dass ich gleich um die Ecke einen Wald und einen Fluss habe.
Wie war es nach dem letzten Lockdown?
Als wieder gelockert wurde, haben das alle auch ziemlich locker genommen. Die Leute haben sich so verhalten, als gäbe es gar kein Corona. Die Pubs waren zwar geschlossen, aber die Cafés waren voll draußen. Überhaupt war die Stadt proppenvoll, genauso wie die Läden. Dort gibt es zwar überall Desinfektionsmittel und auch Maskenpflicht. Aber viele tragen sie, wie in Deutschland ja auch, als Mund-Kinn-Abdeckung.
Was beunruhigt Dich am meisten?
Es beunruhigt mich, dass ich immer wieder Leute sehe, die das auch jetzt nicht ernst nehmen oder nicht ernst genug. Beispielsweise wenn ich zum English Market in Cork gehe. Das laufen die Leute so dicht vorbei, dass sie sich anrempeln. Dadurch, dass ich vegan bin, muss ich aber manchmal in die Stadt, weil ich einige Sachen nur dort bekomme. Auch richtiges Brot gibt es halt nur dort.
Du lebst ja schon lange in Irland – wie gehen die Iren mit der Situation um?
Auf die Barrikaden gegen die Maßnahmen geht hier keiner. Die Iren beschweren sich grundsätzlich relativ wenig. Selbst in Bussen, die wirklich immer zu spät kommen oder so voll sind, dass sie einfach vorbeifahren, beschwert sich niemand. Und wenn man den Bus verlässt, bedankt man sich. Allerdings habe ich schon auch mitbekommen, dass die Menschen teilweise genervt sind von der Situation. Beispielsweise Familien mit Kindern.
Du verfolgst ja auch die Situation in Deutschland - was können die Deutschen von den Iren lernen?
Ich würde sagen die Sache mit dem einheitlichen Fahrplan. Man hat dann nicht das Gefühl, dass man erst ein Studium braucht, wenn man in den Urlaub fahren und wissen will, welche Regeln wo gelten. Hier haben wir fünf verschiedene Level. Man weiß genau, welche Einschränkungen bei welchem Level gelten. Dafür muss man nicht erst im Internet recherchieren. Es gibt ein Pdf-Dokument, wo alles drinsteht.
Denkst Du, das irische Gesundheitssystem ist gut gerüstet für die zweite Welle?
In der ersten Welle hatten wir einen schnellen Lockdown, weil das Gesundheitssystem schon im Normalbetrieb in den Knien ist. Die Betten auf den Intensivstationen sind jetzt schon zu über 90 Prozent ausgelastet. Deswegen war es auch so wichtig jetzt wieder schnell zu reagieren.
Vielen Dank für das Interview.