Jens Horn kommt aus der Nähe von Frankfurt und ist Geschäftsführer von axesscom Philippines. Seit sechs Jahren lebt er in Clark, einer Wirtschaftsmetropole etwa 80 Kilometer von der philippinischen Hauptstadt Manila entfernt. GENERATION Homeoffice hat mit ihm über die Zeit während des harten Lockdowns und den Umstieg aufs Homeoffice gesprochen.
GENERATION Homeoffice: Die Philippinen hatten einen der längsten und härtesten Lockdowns weltweit – wie war das für Dich?
Jens Horn: Für mich war das eigentlich keine Belastung – ich arbeite sowieso den ganzen Tag. Der Lockdown begann im März, da durfte man nicht mehr in den Freihafen, wo wir unser Büro haben. Bei uns vor der Türe standen Soldaten. Aber hier sieht man ohnehin immer bewaffnete Soldaten in den Straßen, das war also nicht so ungewöhnlich.
Weil ich mir schon gedacht habe, dass ein Lockdown kommt, habe ich 20 Kilo Nudeln, Parmesan und Tomatensauce besorgen lassen. Das haben meine Freundin und ich dann wochenlang gegessen. Getränke haben wir beim 7Eleven-Shop in der Straße geholt – dort durfte man noch hin.
Du hast zehn Mitarbeiter – waren die alle im Homeoffice?
Ja, es war allerdings ein bisschen problematisch, die Mitarbeiter dafür auszurüsten. Ich habe unsere alten Notebooks eingerichtet und an die Mitarbeiter verteilt. Wir haben aber Glück gehabt, dass die Leute, die noch kein Notebook bekommen hatten, selbst eins hatten.
Wie hat das mit dem Homeoffice funktioniert?
Na ja, der Durchsatz ist nicht ganz so hoch, wenn die Leute von zuhause arbeiten. Da schreit doch mal das Kind oder es ist etwas anderes mit der Familie. Immer alle ins Meeting zu bekommen war auch ein bisschen schwierig und Termine wurden schon mal verschoben. Aber insgesamt war es schon okay und das Geschäft konnte weiterlaufen.Bei uns ist auch nur ein Kunde erstmal abgesprungen – die wollten ein Tool für Diskotheken und die waren ja extrem von den Corona-Einschränkungen betroffen.
Problematisch ist allerdings, dass auf den Philippinen immer wieder mal der Strom ausfällt. Wir haben hier viele sogenannte Brownouts, also keine kompletten Stromausfälle, aber manchmal sind ganze Straßenzüge dunkel. Man kann nur mit einem leistungsfähigen Generator dagegenhalten. Es gibt zwar auch eine Notstromversorgung, aber die ist extrem teuer. Wir haben hier im Büro Zugang zu einem Generator, der nahtlos die Stromversorgung übernimmt. Im Homeoffice haben wir das natürlich nicht. Mit dem Internet funktioniert es ganz gut. Nur ein-, zweimal im Monat ist das auch weg.
Wie ist die Situation aktuell?
Im Moment haben wir Enhanced Community Quarantine Stufe 1. Das heißt, man darf wieder raus und zur Arbeit. Da muss man aber ein Order-to-Work-Dokument vom Arbeitgeber dabeihaben. Das stelle ich meinen Mitarbeitern und mir aus. Ich wohne in der Nähe vom Büro – es ist fünf Minuten mit dem Moped entfernt. Ich muss in Clark bleiben, denn Ausländer dürfen sich im Land nicht frei bewegen. Jetzt, wo die Beschränkungen gelockert wurden, dürfen erstmal nur die Filipinos reisen.
Arbeitet Ihr weiterhin im Homeoffice?
Nein, nach dem Lockdown habe ich die Leute direkt wieder ins Büro zurückgeholt. Zwar können unsere Mitarbeiter von überall aus arbeiten, aber ich habe damit einen viel größeren Aufwand was Planung und Management angeht. Außerdem habe ich gemerkt, dass es bei komplizierteren Kundenwünschen schwierig wird. Das liegt oft an der Sprachbarriere. Aber weil wir ganz individuelle Software bauen und nicht anfangen zu entwickeln und dann anzupassen, ist für uns die Abstimmung entscheidend.
Ich gucke mir jeden Tag alle Codes an, die von den Entwicklern geschrieben werden. Ich bin ja selber Programmierer und kann so schon viele Fehlerquellen ausschließen. In meinem Büro steht ein großes Whiteboard, wo wir Probleme aufschreiben und nach Lösungen suchen. Wir treffen uns auch jeden Tag und besprechen, was die einzelnen Mitarbeiter gerade machen.
Warum machst Du das lieber im Büro?
Ich habe persönlich das Gefühl, dass ich meine Vorstellungen besser rüberbringen kann, wenn ich die Leute vor mir habe. Außerdem kommt dann auch eher eine Diskussion auf. Es geht gar nicht darum, sie kontrollieren zu müssen – es ist einfach meine Art des Projektmanagements. Ich könnte das natürlich alles von zuhause oder von Deutschland aus machen. Aber ich denke, live kann ich es besser vermitteln. Außerdem ist mir auch das Miteinander wichtig. Ich bezahle den Mitarbeitern mittags das Essen. Wir essen alle zusammen, auf Abstand natürlich, und gucken ein paar Folgen „Big Bang Theory“.
Wie bist Du auf die Philippinen gekommen?
Mit meinem Kompagnon habe ich im Jahr 2000 in Deutschland eine Firma gegründet. 2008 waren wir das erste Mal in Angeles City auf den Philippinen und haben uns die Freihandelszone dort mal angesehen. Schon damals haben viele Firmen Dienstleistungen dorthin ausgelagert. Zum Beispiel das Sortieren von Dokumenten wie Steuerunterlagen. Oder es gibt eine Firma, deren Mitarbeiter den ganzen Tag nur am Bildschirm sitzen und Autos zählen.
Wir haben uns dann umgehört, wer programmieren kann und zunächst fünf Leute zum Probearbeiten eingeladen. Man muss schon ein bisschen suchen und vor allem auch gut bezahlen. Ein guter Programmierer hier bekommt etwa 20 bis 25 Prozent eines deutschen Gehalts. Seit fünfeinhalb Jahren haben wir jetzt das Team hier vor Ort. Als wir es 2014 zusammengestellt haben, waren wir für vier Wochen hier. Zuerst war der Plan, ein Unternehmen zu gründen und die Leute dort von Deutschland aus anzuleiten. Na ja, und dann habe ich am Ende der vier Wochen meine Freundin kennengelernt und beschlossen hier zu bleiben. Irgendwann will ich aber wieder nach Europa. Vielleicht in fünf bis zehn Jahren, wenn sich mit der Firma alles eingespielt hat. Ich hoffe, es reicht bis dahin für die Rente. Dann wollen wir nur noch mit dem Wohnmobil durch die Gegend reisen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Infos zur Corona-Lage: Auf den Philippinen galten monatelang extrem strenge Corona-Beschränkungen. Geschäfte und Restaurants waren geschlossen. Es gab eine Ausgangssperre - bewaffnete Polizisten überwachten die Einhaltung. Der Flugverkehr war komplett eingestellt. Touristen durften auch auf dem Landweg nicht einreisen. Das öffentliche Leben lag monatelang weitgehend brach. Mittlerweile sind die weitreichenden Beschränkungen etwas gelockert. Die Inselgruppe hat mehr als 106 Millionen Einwohner. Bis November gab es über 401.000 bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus. Mehr als 7700 Menschen sind im Zusammenhang mit der Infektion gestorben. Nachdem die Regierung von Präsident Rodrigo Duterte zunächst nicht viel unternommen hatte, um die Ausbreitung einzudämmen, schwenkte sie im März auf einen anderen Kurs um und rief für sechs Monate den Katastrophenzustand aus.