Welches Potenzial auf dem Arbeitsmarkt derzeit brach liegt, zeigen die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zum Deutschen Diversity-Tag am 26. Mai 2020. Der Anteil der Berufstätigen und Arbeitssuchenden unter den Menschen mit Behinderung war 2017 nicht einmal halb so hoch (30 %) wie unter den Menschen ohne Behinderung (65 %). GENERATION Homeoffice hat mit dem Rechtsexperten Markus Meixner gesprochen, der zu diesem Thema eine klare Meinung hat.
GENERATION Homeoffice: Welche Chancen eröffnen sich derzeit für Menschen mit Behinderung durch das geplante Homeoffice-Gesetz?
Markus Meixner: Menschen mit Behinderung bilden in Deutschland eine große Personengruppe von bereits gut ausgebildeten Fachkräften, die im Homeoffice sehr gut arbeiten könnten. Hier bestehen zumeist Hemmungen der Unternehmen, die auf dem umfangreichen gesetzlichen Schwerbehindertenschutz gründen. Hemmnisse bei der Einstellung von behinderten Menschen in Telearbeit abzubauen, steigert deren Beschäftigungsquote.
Was müsste nach Ihrer Auffassung im Kampf gegen den Fachkräftemangel passieren, wenn es um das Homeoffice-Gesetz geht?
Das wäre für den Bundesarbeitsminister Heil relativ einfach. Ich erachte eine Mischung aus Anreizen und Strafen als erfolgversprechend. Das Gesetz müsste zunächst einen Anreiz in Form einer einmaligen staatlichen Prämie für jeden neu geschaffenen Homeoffice-Telearbeitsplatz für Behinderte und Schwerbehinderte vorsehen.
Was sollte bei Neueinstellungen von Behinderten/Schwerbehinderten im Homeoffice-Gesetz geregelt sein?
Neben einer Einmalförderung muss eine weitere Beschäftigungsförderung hinzukommen. Außerdem müssten alle Arbeitgeber verpflichtet werden, generell bei Ausschreibung von Arbeitsplätzen, zu prüfen, ob die Stelle in Telearbeit besetzt werden kann.
Meinen Sie, dies würde schon ausreichen und dem Zweck einer Beschäftigungsförderung im Schwerbehindertenbereich bei Homeoffice genügen?
Nein, denn ein wichtiger Umstand müsste hinzukommen. Der besondere Kündigungsschutz und quasi die Unkündbarkeit schwerbehinderter Mitarbeiter müsste für Telearbeit - und nur für Beschäftigte auf einen eingerichteten behindertengerechten Telearbeitsplatz - aus dem gesetzlichen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte herausgenommen werden. Bei jeder Bewerbung eines Menschen mit Behinderung entsteht ein entscheidender Vorteil. Der neue Arbeitgeber spart Kosten, wenn der Arbeitsplatz bereits behindertengerecht im Homeoffice ausgestattet ist.
Der Wegfall des Kündigungsschutzes dürfte für die Politik in der Öffentlichkeit aber nur sehr schwer darzustellen sein?
Das ist richtig. Absoluten Kündigungsschutz für Schwerbehinderte abzuschaffen bedeutet für die meisten zugleich die Abschaffung der Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft. Aber eines wird mit der aktuellen Mitteilung des Statistischen Bundesamtes deutlich. Alle Anstrengungen und Beschäftigungsprogramme für Schwerbehinderte scheitern seit mindestens 40 Jahren. Jetzt bei der aktuellen Entwicklung mit Homeoffice besteht eine reelle Chance auf Veränderung.