German Ramirez ist Experte für digitale Fragen und Blockchain-Technologien in der Agentur The Relevance House. Im zweiten Teil unseres Exklusiv-Interviews spricht er über die letzten Bastionen, die die Menschheit der Maschine voraushat und die Arbeitswelt von morgen.
GENERATION Homeoffice: Im ersten Teil unseres Interviews hast du gesagt, dass sich die Bedeutung von Arbeit verändert. Wie wirkt sich das auf unsere Arbeitsverhältnisse aus?
German Ramirez: Wir werden keine feste Arbeitsstelle mit einem Arbeitgeber mehr haben, sondern Projektarbeiten machen. Es wird eine Welt von intellektuellen Söldnern geben. Ergebnis und Leistung werden gekoppelt. Dann heißt es nicht mehr, ‚ich bin verantwortlich für Marketing und habe dafür ein bestimmtes Budget‘. Stattdessen sagt man, ‚meine Aufgabe ist es die Marke bekannt zu machen‘. Denn es gibt keine Herrschaft über Budgets oder Mitarbeiter.
Und da kommt die Blockchain ins Spiel?
Genau. Sie basiert auf sogenannten DAOs, also dezentralen, autonomen Organisationen. Diese Organisationen gehören niemandem, es gibt keinen Chef. Vielmehr kann jeder mitmachen, aber niemand muss. Dezentralisierung ist die einzig sinnvolle Möglichkeit für die Zukunft. Wikipedia ist ein super Beispiel. Jeder kann daran mitschreiben. Wenn ein Eintrag falsch ist, kann ihn jemand anders korrigieren.
Viele große Internetkonzerne funktionieren aber nicht über Blockchains.
Wenn 80 Prozent aller Nachrichten über Google ausgespielt werden und über 90 Prozent aller Kaufentscheidungen von Social Media beeinflusst werden, ist es keine Frage, dass diese Konzerne über uns bestimmen. Wir leben mit den goldenen Handschellen der großen Tech-Konzerne. Aber wir werden uns heute zunehmend bewusst, dass wir gesteuert werden. Deswegen bin ich 2013 in das Thema Blockchain eingestiegen. Wenn wir noch ein sinnvolles, selbstbestimmtes Leben führen wollen, müssen wir auf Dezentralisierung und Teilhabe setzen.
Für mich ist es ok, wenn Google weiß, wohin ich mich bewege – wenn ich dafür von Google Maps profitieren kann. Und mir ist auch sehr bewusst, welche Daten Google von mir bekommt.
Bei der digitalen Transformation ist es vermutlich einfacher die Technik zu installieren als die Menschen davon zu überzeugen. Viele haben Angst vor einer Welt, in der man sich stets aufs Neue anpreisen muss. Wie nimmt man diese Ängste?
Auch wenn das hart klingt - es ist eine Frage der Einstellung. Die gute Nachricht ist: es wird langsam passieren. Die schlechte Nachricht ist: wenn es passiert, heißt es friss oder stirb. Aber das wird über Arbeitsgenerationen gehen. Die, die heute Angst haben, werden dann schon nicht mehr arbeiten.
Ein Einzelner konkurriert künftig mit der ganzen Welt?
Die Realität ist, dass wir in einer globalen Welt leben. Die größte Gefahr liegt aber nicht darin, ob jemand das günstiger machen kann, sondern darin, ob es überhaupt gebraucht wird. Oder ob Künstliche Intelligenz das machen kann.
Das bringt auch einen Wandel bei den Berufen mit sich. Es gibt zwei entscheidende Bereiche, oder auch die letzten zwei Bastionen der Menschheit, die die Zukunft bestimmen. Das sind Kreativität und Empathie. Beides wird auch eine Maschine erstmal nicht abbilden können. Diese Fähigkeiten sollten daher schon in der Schule im Mittelpunkt stehen und nicht das Auswendiglernen von Daten, wie in Geschichte. Zahlen und Fakten finde ich jederzeit über Google. Viel wichtiger ist es zu lernen, Zusammenhänge zu erkennen.
Was siehst du, wenn du in die Zukunft blickst?
Wir sind jetzt an einem Scheideweg. Ich sehe zwei Szenarien. Entweder führen wir ein universelles Grundeinkommen ein und machen weiter wie vorher. Das heißt, wir überkonsumieren, überproduzieren und setzen auf immer weiteres Wachstum. Oder wir kreieren ein neues Verständnis von Wert. Das bedeutet, dass wir weniger arbeiten und die Dinge in den Vordergrund stellen, die Maschinen nicht können - Kreativität und Empathie. Dafür müssen wir uns als Menschheit neu erfinden. Das ist schwierig, weil der Mensch oft veränderungsunwillig, faul und manipulierbar ist. Aber die Veränderung ist nicht mehr aufhaltbar.
German Ramirez berät Firmen zur Digitalen Transformation und hält Vorträge über Themen von Morgen und Übermorgen. Seine Schweizer Full-Service-Agentur The Relevance House bringt Unternehmen und Start-ups in Sachen Blockchain und der Vermarktung digitaler Währungen auf den Weg. Als Digital Pioneer spricht er gerne über die Beziehung zwischen Technologie und Menschheit. Für ihn ist es eine Liebesgeschichte. Natürlich mit einem Happy End.
Teil 1: „Wenn du Überwachung brauchst, hast du die falschen Mitarbeiter“